Janie J. Jones (Peter Hein) und Mary Lou Monroe (Franz Bielmeier) auf dem Weg von Derendorf in den Ratinger Hof, Düsseldorf 1977 (Ausschnitt)
Foto: © Pascal Hoffmann
reißverschlüsse und schablonenschriften als einleitung musikalischer weltherrschaft im herbst 1977. uns wollte niemand an den kragen. die hundehalsband-phase lag bereits zwei monate zurück und die erste clash-deutschland-tour stand wohl kurz bevor. das entnehme ich den spezifischen details unserer bekleidung auf diesem foto. ungefähr zur zeit seiner entstehung trafen wir im völlig leeren ratinger hof auf markus oehlen, der sich uns anschloss und den wir „garvey“ nannten, wenn er nicht anwesend war (was häufig vorkam) – in anlehnung an marcus garvey, einem rasta-helden, dessen name uns aus einigen reggae-stücken bekannt war. markus durfte im leeren ratinger hof hinter die theke und konnte platten auflegen, die wir gerade gekauft hatten, wozu wir dann auf der völlig leeren tanzfläche pogten. dass wir bereits seit mehr als einem halben jahr das erste deutsche punk-fanzine „the ostrich“ herausgaben, beeindruckte keine der bereits anwesenden figuren im leeren ratinger hof. sie mochten uns als milchgesichter, versuchten uns betrunken zu machen (was nicht funktionierte, da wir nur fruchtsaft tranken, bis sich punk überall herumgesprochen hatte und der ratinger hof als bierschwemme missverstanden wurde), gaben uns lsd (mir) und gefrorene hähnchen zum zersägen, als wir einmal in einer krefelder künstlerkolonie zwischenstop machten. zeitweise war die band (charley’s girls) sehr groß und bestand aus fünf bis sechs selten gleichzeitig anwesenden mitgliedern aus düsseldorf, köln und krefeld. einige darunter sind sich sogar nachweislich niemals begegnet, wie z. b. sabrina, die beim nachtclub-auftritt im märz 1978 schlagzeug spielte und lucy l. jones (wie sich björn wondracek aus köln nannte), der im sommer 1977 nominell die gitarre bei den c-girls bediente. mit instrumenten allein aber wäre nichts getan gewesen, den vorbereitenden ansatz und grundstein für deutschlands nachhaltigste punk-band legte ich gemeinsam mit meinem kölner schulfreund ramon luis, der quer durch zeit & raum zugeschaltet aus valencia im folgenden seine erinnerung damaliger ereignisse schildert.
© franz bielmeier, 2020
es war wieder große pause im innen verglasten pavillon der hauptschule (köln, neuhöfferstraße), wo sich die langeweile ausbreitete wie die pest im mittelalter. zwischen allerlei sozialfällen, psychoten und pickelqueens fiel mir dieser unauffällig gekleidete typ aus einer anderen klasse auf. er trug nackenlange braune haare, ein schwarzes t-shirt, eine hautenge windjacke, jeans und schwarz-braune plateauschuhe. da ihm ein kettchen mit dem stones-zungen-logo um den hals baumelte, nahm ich meinen ganzen mut zusammen und fragte scheu nach: „äh, diesen rolling stones-anhänger, wo hast du den her?“ er antwortete: „aus london“. damit war die konversation auch schon vorbei und wir wurden wieder in verschiedene klassenräume gepfercht. einige tage später kamen wir in der raucherecke ins gespräch, so dass wir voneinander erfuhren, dass wir beide „stranded“ von roxy music gekauft hatten. 1974 jemanden zu finden, der auf glam und nicht auf hardrock, progrock usw. stand, war wie einen diamanten in einer kiesgrube zu finden. in den nächsten wochen schon tauschten wir eifrig lps aus – velvet underground, bowie, mott the hoople, t-rex – alles, was nicht die zdf-hitparade repräsentierte. nachmittags klapperten wir die plattenläden in der kölner innenstadt ab und stapelten dutzende singles vor den probekopfhörern bei kaufhof.
© ramon luis, 2020