Deutsch-Amerikanische Freundschaft (DAF)

Gabi Delgado-López und Robert Görl werden auf dem Düsseldorfer Flughafen vor ihrem Flug nach London von Moritz Reichelt (nicht im Bild) interviewt, Düsseldorf 1981 (Ausschnitt)

Foto: © Richard Gleim

Bei DAF gab es eine Nummer-1-Regel. Wir wollten nicht klingen wie irgendetwas anderes. Wir wollten etwas Neues schaffen. Wir wollten den Leuten und Plattenfirmen sagen können, so etwas wie uns gibt es noch nicht.

Es war perfekt, dass zu jener Zeit bezahlbare Sequenzer auf den Markt kamen. Das war für uns auch ein Grund, warum die Band – wir waren ja ursprünglich zu fünft – weg musste. Wir wollten Sequenzermusik, maschinelle Musik machen, die nicht einer herkömmlichen Standardband entsprach. Bei den Plattenfirmen galt immer noch Rockmusik als Standard, also Sänger, Bass, Gitarre, Schlagzeug.

Anfang der 80er gab es bereits ein paar Acts, die rein elektronisch arbeiteten, wie z.B. Suicide. Wir wollten aber nicht klingen wie diese Acts. Wir wollten Staccato-Elektronik, ganz harte Elektronik machen. Ein großer Teil unserer Songs, auch wenn wir später romantische Songs geschrieben haben oder solche, die fast an Kinderlieder erinnern, war powervoll. Die Songs mussten mindestens so powervoll rüberkommen wie bei einer Rockband mit 5 Gitarristen und einer 10.000-Watt-Anlage. Die Sequenzen mussten also richtig was hermachen, so dass ein E-Bass im Vergleich dazu blass wirkte. Die Sequenzen sollten powervoll und interessant sein und mit Bodydrums gekoppelt sein. Bei Kraftwerk z.B. fanden wir es nicht so cool, dass der Beat so ein flacher Computerbeat war. Den Kraftwerkbeat konnte man ja mit zwei Fingern eintippen. Extrem harte, aussagekräftige Elektronik, gepaart mit Muskelkraft bei den Drums war unser Grundkonzept. Unsere Musik sollte ungestüm sein, nicht so akkurat. Es war sogar gut, wenn die Elektronik leicht „out of tune“‘ war. „Wir bringen unsere Synthesizer zum Schwitzen“ haben wir damals, dazu passend, gesagt. Und wenn was schwitzt, ist es auch nicht mehr so ganz sauber. Kraftwerk z.B. hatten keine schwitzenden Synthesizer, die waren wohltemperiert und eher kühl, auch wenn die Musik laut gespielt wurde. Unsere Synthesizer sollten dampfen, so dass aus ihnen vielleicht mal Feuer rauskommt oder etwas herunterbröckelt. Die waren dadurch auch nicht gestimmt. Und im Sound veränderte sich die Wärme. Dieses extrem Harte, Grobe, mit einem Schuss primitiver Stimmung in der Elektronik, war das, was wir wollten.

Gabi hat zur Musik sehr provokative Texte geschrieben. Gabi wollte Texte, die den Leuten zum Teil auch unangenehm sind, so wie auch die Musik. Die Texte sollten fast böse sein und in die Wunden der Leute treffen.

Extrem powervolle Elektronik, Bodydrums und extrem provokative Wörter, das war das Konzept von DAF.

Wenn ich eine Sequenz kreiert habe, auch wenn diese noch so toll klang, und diese uns an eine Band oder eine Musik erinnert hat, die es schon gab, haben wir diese Sequenz gelöscht. Wir waren schon sehr selbstkritisch. Bei Conny im Studio hatte ich z.B. für eine Sequenz immer einen ganzen Tag zum Schrauben zur Verfügung. Am besten war es, wenn diese am Abend fertig war. Dann kamen noch Drumming und Overdubs dazu. Und natürlich Gabis Gesang.

Während ich an einer Sequenz geschraubt habe, ist manchmal Gabi aus der Küche gekommen, in der er mit Conny saß und Kaffee getrunken oder geraucht hat, und manchmal ist auch Conny gekommen. Und wenn ich voll im Wahn war, haben Gabi oder Conny gesagt „Freeze it! Das ist gerade der absolute Wahnsinn!“ Oder sie haben ehrfurchtsvoll gesagt „Wow, das muss jetzt aufgenommen werden.“ Wir waren  selbstkritisch bis zum Abwinken. Gabi ist, während ich an den Sequenzen geschraubt habe, auch oft im Studio gewesen und hat zur Musik getanzt, was mich wieder inspiriert hat. Wir haben uns gegenseitig eingegroovt. Mitgebracht ins Studio hat Gabi stets nur wenige Notizen, z.B. welche Themen oder Slogans er in Songtexten aufgreifen wollte, „Krieg“ oder „Jugend“ oder so. Die Musik von mir hat er durch seinen Tanz getestet und durch die Musik hat er sich inspirieren lassen und überlegt, welches Thema bzw. welcher Slogan zu dem Song passen würde. Im Studio hat er dann angefangen, den Songtext zu schreiben. Er hat getanzt, dann wieder eine Zeile geschrieben und so weiter.

© Robert Görl, 2022