Sabine Schwabroh

Gabi Delgado von D.A.F. tanzt den Mussolini, Bielefeld 1981 (Ausschnitt)

Foto: © Sabine Schwabroh

Für die Hamburger Grafikerin Sabine Schwabroh war ihr Eintauchen in die Underground- und Punk-Musikszene Ende der 70er wie ein Sprung ins kalte Wasser. Denn angefangen hatte sie bereits in den frühen 70ern als fotografische Beobachterin in vom Abriss bedrohten Stadtvierteln Hamburgs, von der Rettung von Arbeiterwohnungen in Hoheluft-Ost bis zum drohenden Verlust gewachsener Strukturen in Altona. Kreativer Zwischenstopp Mitte der 70er bei Konzept und Gestaltung der alternativen Stadtzeitung GROSSE FREIHEIT, wo sie auch den Journalisten Alfred Hilsberg kennenlernt und ihre dokumentarische Foto-Arbeit in die sich explosionsartig entwickelnde Punk- und Underground-Kultur verlagert.

Sie besucht frühe Punk-Konzerte in kleinen Klubs in Hamburg wie dem Krawall 2000, Post-Punk-Festivals in Frankfurt, Berlin, Düsseldorf und London, begleitet einige Bands auf Tournee auch in der Schweiz und Holland und dokumentiert die von Hilsberg organisierten Festivals in der Markthalle, in der Druckerei Dankerrt und im Versuchsfeld in Hamburg. So entstehen tausende vor allem schwarz-weißer Fotos, aber auch Dias, mit sehr individuell geprägten, suchenden jungen Leuten in teils extremen Outfits, von selbstbewußten und erfolgshungrigen Menschen, Helden des Alltags und „genialen Dilettanten“.

Dazu zählen Momente aus dem öffentlichen Leben vieler Bands und Musikern wie Xmal Deutschland, DAF, F.S.K., Andy Giorbino, ZK mit Campino, Einstürzende Neubauten, Abwärts, Zimmermänner, Ziggy XY von Kosmonautentraum, Francoise Cactus mit den Lolitas, Ivanhoe! mit Jäki Eldorado, Bettina Köster, Der Plan, Peter Hein mit Mittagspause und Fehlfarben, Andreas Dorau, Tobias Gruben und Die Erde, Flowerpornoes, Kastrierte Philosophen, Holger Hiller und vielen bekannten und unbekannten, risikobereiten Protagonisten einer neuen Kultur und einer mit vielen Konventionen brechenden Haltung.

Schwabrohs Fotos sind bereits Anfang der 80er in der damals wichtigsten Musik- und Kulturzeitschrift SOUNDS im Zusammenhang mit mehrteiligen Underground-Artikeln und Interviews zu sehen, tauchen auf einigen, von ihr gestalteten Plattenhüllen wie LIEBER ZUVIEL ALS ZU WENIG oder der ersten Single der Zimmermänner auf und werden auch Teil der vom Goethe-Institut initiierten Ausstellung GENIALE DILLETANTEN im Hamburger Museum für Kunst + Gewerbe. Dort präsent sind auch eine Reihe von Festival-Plakaten, die sie z. T. mit Hilsberg gestaltet hat.

Die zunehmende Individualisierung auch der Musik-Szene, die durch Digitalisierung unüberschaubare Flut an neuen Veröffentlichungen und die Ablösung der analogen durch die digitale Fotografie fordert auch von Sabine Schwabroh mehr Flexibilität. Ihre Fotos der 90er und danach dokumentieren die musikalisch wie thematisch zersplitterte Musikkultur. Der Aufbruch in die neuen Zeiten lässt sich an ihren Bildern ablesen und interpretieren, z. B. bei Blumfeld, der Essener Fusion-Band Festland, bei Rummelsnuff und Woog Riots, Ja,Panik, Felix Kubin, Knarf Rellöm, Safi und Saalschutz, The Schwarzenbach und Jens Friebe …

Die Fotos von Sabine Schwabroh sind, auch weil viele Aspekte der Underground-Kultur von vielen Menschen fast vergessen sind, wichtige, noch zu entdeckende Dokumente der Zeit.

© Alfred Hilsberg/Sabine Schwabroh, 2020